ZURZACH Care Blog

«Ohne diese Reha wäre ich nicht so weit, wie ich jetzt bin»

Geschrieben von Alessia Bertolino | Feb 2, 2024 1:26:45 PM

Einführung

Herr Ritter, Sie haben bereits länger eine Krebsdiagnose und intensive Behandlungen hinter sich bringen können. Wie geht es Ihnen heute?

Die Krebsdiagnose erhielt ich im Juni 2022, woraufhin ich im Claraspital Basel hospitalisiert wurde. Die intensive Chemotherapie dauerte fast ein halbes Jahr und danach schien eigentlich alles wieder in Ordnung zu sein.
Leider verschlechterte sich die Situation mit der Zeit wieder und ich musste nochmals hospitalisiert und zwei Mal operiert werden. Ich verbrachte zwei Monate im Claraspital, davon fünf Wochen in der integrierten Rehaklinik bei ZURZACH Care und durfte dann nach Hause gehen. Ein paar Tage später wurde ich leider wieder hospitalisiert, weil mit meinen Werten etwas nicht stimmte und ich starke Schmerzen hatte. 

Können Sie Ihre Krankengeschichte detaillierter erzählen und wie Sie mit der Diagnose Krebs konfrontiert wurden? Wie haben Sie die Diagnose aufgenommen?

Das ist eine komplexe Frage. Ich war damals mit meiner Frau in Frankreich, in der Nähe von Paris und es ging mir einfach nicht gut. Ich hatte Schluckbeschwerden und konnte kaum noch etwas essen. Da wurde mir bewusst, dass etwas Ernsthaftes nicht stimmte. Morgens bin ich aufgewacht und habe meiner Frau beim Frühstücken gesagt: "Ich habe geträumt, dass ich Krebs habe." Am gleichen Tag mussten wir nach Hause, weil ich gar nichts mehr schlucken konnte.

Nach der Untersuchung beim Hausarzt wurde ich dann ins Krankenhaus überwiesen. Dort wurde sofort die Diagnose gestellt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits die Vermutung, dass es Krebs ist, aber wenn die Diagnose dann tatsächlich gestellt wird, ist es surreal. Man denkt sich, dass dies nur anderen passiert und plötzlich ist man selbst betroffen. Das war ein sehr intensiver Moment.

Ich habe in meinem Berufsleben unter anderem auch viel unterrichtet, insbesondere im Change-Management, Teamwork und Leadership. Dabei habe ich häufig über Krebspatienten gesprochen, um Beispiele zu veranschaulichen. Es gibt verschiedene Bücher, zum Beispiel von Elisabeth Kübler-Ross, die sich mit Gesprächen mit Patienten befasste. In ihren Büchern wird eine klassische Kurve beschrieben, die ich gerne in meinem Management-Unterricht verwendet habe. Diese Kurve habe ich nun selbst durchlebt. Zuerst kam die Ablehnung, dann der rasche Fall in die Trauerphase gefolgt von der Phase Kooperation. Es ist eine verrückte und komplexe Situation.

«Nachts konnte ich manchmal wenig schlafen und habe begonnen, gedanklich alles aufzuräumen, damit sich meine Frau später um nichts kümmern muss.»

Nachts konnte ich manchmal wenig schlafen und habe begonnen, gedanklich alles aufzuräumen, damit sich meine Frau später um nichts kümmern muss. "Was brauche ich noch, was braucht meine Frau nicht mehr, was mache ich mit meiner Foto-Ausrüstung, etc." – die Gedanken waren bereits sehr konkret. Dann wurde ich hospitalisiert, und dort wurde mir psychologische Unterstützung angeboten, die ich dankend annahm. Danach hatte ich vorerst wieder stabile Werte. Im August 2023 musste ich wieder aufgrund schlechter Blutwerte ins Krankenhaus und dort stand ich vor einer wichtigen Entscheidung:

  1. Nichts tun.
  2. Chemotherapie & Bestrahlung.
  3. Operativer Eingriff, Entfernung des Magens.

Nach sorgfältiger Abwägung und diversen Gesprächen mit Prof. Dr. med. D. Köberle (Chefarzt Onkologe, Claraspital) und Prof. Dr. B. Müller (Chefarzt Viszeralchirurgie, Claraspital) habe ich mich für den operativen Eingriff entschieden. Dieser Entscheid erwies sich als richtig, da im Laufe des Eingriffs mehrere Metastasen gefunden wurden, die ohne die Operation unentdeckt geblieben wären. Dies führte dazu, dass ich einige Tage später erneut operiert und der Bauch nochmals geöffnet werden musste, um diese Metastasen zu entfernen. Nun liegt es an mir, mich daran zu gewöhnen ohne Magen zu leben.

Ist eine gewisse Akzeptanz bereits eingetreten?

Es war meine Entscheidung, die Operation durchzuführen und ich bin der Überzeugung, dass es die richtige Entscheidung war. Philosophisch betrachtet bin ich mir nicht sicher, ob es Akzeptanz ist oder eher ein fatales "Ja". Es ist sicherlich eine Mischung von beidem, aber eine Akzeptanz ist bereits vorhanden. Ich muss nun mit dieser Situation leben und das tue ich auch.

Der Weg durch die Behandlung

Wie war Ihr Erfahrungsweg während der Krebsbehandlung? Gab es besondere Momente oder Personen, die Sie während dieser Zeit besonders unterstützt haben?

Es gab verschiedene Phasen. An erster Stelle natürlich meine Frau und meine Schwester, die mich sehr unterstützt haben und es nach wie vor tun. Auf der privaten Seite spielte generell meine gesamte Familie eine entscheidende Rolle. Während der Zeit im Krankenhaus hat sich eine starke Beziehung vor allem zu den Pflegerinnen und Pflegern entwickelt. Der tägliche Kontakt zu ihnen war für mich sehr angenehm und wichtig. Die Ärzte schliesse ich natürlich nicht aus, jedoch war der Kontakt zu ihnen weniger intensiv im Vergleich zu den Pflegerinnen und Pflegern. In der Rehaklinik waren zusätzlich zu den Pflegerinnen und Pflegern auch alle Therapeutinnen und Therapeuten von grosser Bedeutung. Wie zuvor auch erwähnt, war für mich die wöchentliche Sitzung mit dem Psychologen auch wertvoll. In den verschiedenen Phasen konnte ich sehr gute Beziehungen aufbauen und ich fühlte mich nie alleine. Natürlich gibt es in der Nacht Momente, in denen man wach liegt und tatsächlich alleine ist, aber das gehört zum Verarbeitungsprozess.

Die Rolle der Rehaklinik Basel

Wie hat die ZURZACH Care Rehaklinik Basel Ihnen als integrativer Teil der gesamten Behandlung helfen können? Welche spezifischen Programme oder Dienstleistungen der Rehaklinik haben Ihnen besonders geholfen?

Die ersten drei Wochen war ich nach dem Eingriff stationär im Claraspital auf der Intensivstation und danach in der Abteilung Chirurgie und dann wurde ich mit dem Bett nahtlos in die ZURZACH Care Rehaklinik Basel rüber gefahren *lacht. Zu Beginn der Reha war ich so geschwächt, dass ich nicht selbstständig vom Bett ins Badezimmer gehen konnte – ich benötigte zwingend Unterstützung. Um es kurz zu fassen: Am Ende der Rehazeit brauchte ich keinen Aufzug mehr, um vom Erdgeschoss in den dritten Stock zu gelangen. Ich hatte genug Kraft aufgebaut, um die Treppen zu nehmen. Das war ein enormer Fortschritt.

Es war das erste Mal, dass ich eine Rehabilitation durchgemacht habe und ich habe sie als äusserst positiv erlebt – mit sehr kompetenten Physiotherapeutinnen, von denen ich jede Einzelne nennen könnte. Es gab Gruppentherapien, Einzeltherapien, Medizinische Trainingstherapien (MTT) und unterhaltsame Logopädie. Erwähnenswert ist auch der Austausch mit anderen Patientinnen und Patienten. Der gemeinsame Speisesaal, den ich anfangs aufgrund meiner Verdauungsprobleme nicht besuchen konnte, erwies sich als förderlich. Die gemeinsame Zeit mit den anderen Patienten war jedes Mal ein Aufsteller. Wir haben teilweise eine ganze Stunde miteinander gelacht und das hat extrem gutgetan.

Zu Beginn der Reha war ich mit 4-5 Therapiesitzungen am Tag abends wirklich erschöpft. Das lag aber auch daran, dass ich aufgrund der OP zu stark und zu schnell abgenommen hatte. Ich musste künstlich ernährt werden, weshalb meine Rehazeit nochmals verlängert wurde. Insgesamt war ich dann fünf Wochen in der Reha. Das war auch gut so, denn ich habe selbst gemerkt, dass ich diese Zeit benötigte, um mit genügend Kraft nach Hause zurückkehren zu können.

Rückblick

Ihr Aufenthalt in der Rehaklinik Basel hat Ihnen insofern einen erheblichen Mehrwert geboten, oder?

Absolut. Also ohne diese Reha wäre ich nicht so weit, wie ich jetzt bin. Während der Reha habe ich in der Medizinischen Trainingstherapie oft das Rudergerät genutzt und weil mich das so sehr inspirierte, habe ich mir nun auch ein solches Gerät für zuhause bestellt. 

Ich möchte noch hinzufügen, dass eine Woche bevor ich hospitalisiert wurde leider meine geliebte Hündin aufgrund einer schweren und unheilbaren Krankheit eingeschläfert werden musste. Zuvor war ich wirklich täglich zwei Stunden mit ihr unterwegs, was mich fit hielt. Das ist dann leider weggefallen. Natürlich kann das Rudergerät meine Hündin nicht ersetzen, aber es hilft mir sicher wieder mehr in Bewegung zu kommen.

Wie haben Sie diese Zusammenarbeit zwischen dem Claraspital und der ZURZACH Care Rehaklinik Basel erlebt?

Ich fand das hervorragend. Dass die Rehaklinik im Claraspital integriert ist war für mich ein ausschlaggebender Punkt, mich für die ZURZACH Care Rehaklinik Basel zu entscheiden. Alle Ärzte, die für mich wichtig sind, befinden sich hier vor Ort, meine Krankengeschichte ist im Haus bekannt und das gab mir ein gutes Gefühl. Dieser nahtlose Übergang war grossartig. Ich wurde im gleichen Gebäude auf eine andere Station gebracht und schon befand ich mich in der Reha. 

Die Bedeutung des Weltkrebstags

Welche Bedeutung hat für Sie der Weltkrebstag? Welche Botschaft möchten Sie mit anderen Menschen, die in der Vergangenheit oder in diesem Moment gegen Krebs kämpfen, teilen?

Zu meiner Schande: Ich kannte den Weltkrebstag nicht *lacht. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich glücklich bin, wenn dieses Interview auch nur einer Person Mut machen und helfen kann. Ich glaube an die Wissenschaft, auch weil ich selbst Naturwissenschaftler bin und die Fortschritte in der Krebstherapie enorm sind. Ich gebe diesen Therapien eine sehr grosse Chance. Heutzutage existieren Behandlungen, die signifikante Lebensverlängerungen ermöglichen. 

Meine Botschaft an Personen, die derzeit ebenfalls gegen Krebs kämpfen, lautet somit: Gebt nicht auf und bewahrt eine positive Einstellung.

Diese Positivität strahlen Sie tatsächlich sehr stark aus, auch wenn es sicherlich nicht immer einfach fällt, oder?

Nein, es ist nicht immer einfach. Das sage ich ganz offen und ehrlich. Ich habe den direkten Weg gewählt. Ich habe Krebs aber der Krebs hat mich nicht. 

Trotzdem gibt es etwas, was mich immer wieder nervt. Nämlich, wenn Personen von mir hören, dass ich krebsrank bin und mir sagen, dass ich doch noch so gut aussehe würde. Das ist speziell, weil auch andere Patienten in der Rehaklinik von dem gleichen Phänomen gesprochen haben. Mir ist bewusst, dass die Menschen dies nicht böse meinen oder mit dieser Nachricht überfordert sind.

Was antworten Sie jeweils auf diese Aussage?

Ich gehe nicht darauf ein und sage einfach «Dankeschön».

Das Team der ZURZACH Care Rehaklinik Basel

Gibt es bestimmte Ärzte, Pflegekräfte oder Therapeuten, die während dem stationären Aufenthalt an der Rehaklinik Basel einen besonderen Einfluss auf Ihre Genesung hatten? 

Das ist relativ einfach zu beantworten, weil alle hervorragende Arbeit geleistet haben. Ich hatte ein ausgezeichnetes Verhältnis zum Ärzteteam (Dres S. Erni, Cherarzt/ Frau S. Feichter, Oberärztin/ Frau R. Gafner, Assistenzärztin). Auf den Visiten konnten wir viel zusammen lachen, das tat gut. Es gab mehrere Therapeutinnen, aber eine davon fand ich absolut herausragend – Frau V. Jovanovic. Auch die leitende Therapeutin, Frau A. Einert, war ausgezeichnet. 

Ausblick auf die Zukunft

Wie sieht Ihre Lebensqualität heute aus, und was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Ich hoffe, ich habe noch lange zu leben, denn ich habe eine umfangreiche Bucketlist. Dazu gehören verschiedene Reisen, das erneute Tauchen im Roten Meer und der Kauf eines neuen Motorrads. Ich möchte Bücher lesen und viele konkrete Dinge erleben. Ideen dazu gibt es sicherlich genug. Nicht zu vergessen: zuhause auf dem neuen Rudergerät zu trainieren *lacht.


Alain Ritter, Dr. phil. II, schloss seine Ausbildung mit einem Master in Neurobiologie, einem Master in Pharmazeutischer Medizin sowie einem Doktorat  in Neurochemie ab. Nach mehreren Jahren in der Forschung übernahm er leitende Positionen im Bereich HR bei Ciba-Geigy, Ciba Spezialitätenchemie,  Bâloise AG und Roche ltd. Bei seinem letzten Arbeitgeber, Georg Fischer AG, war er als Mitglied der Divisionsleitung GFPS zunächst für den Bereich HR und für nationale, internationale, strategische und operative Projekte verantwortlich (Bsp. Teamwork, Talent Management, Development Center, Leadership). Danach wechselte er zum GF Konzern als internationaler Coach für Senior Management mit besonderem Fokus auf die Umsetzung der strategischen Ziele. Er ging 2016 in den Ruhestand, ist aber weiterhin als Coach und Trainer in den Bereichen Leadership, Management, HR und operative Prozesse tätig.