«Zum Schluss habe ich sechs Tage die Woche gearbeitet – einfach viel zu viel», erzählt der 61-jährige Hubert Waldkircher. Er wollte es immer allen recht machen und schaute, dass es den Menschen gut geht. Nur auf sich selbst achtete er zu wenig. Kombiniert mit seinem Pflichtbewusstsein und dem Perfektionismus im Job waren deshalb herausfordernde Zeiten für den Logistiker mit Kaderfunktion vorprogrammiert. «Ich konnte nicht mal mehr in die Ferien fahren, war am Ende und habe nur noch geweint», blickt der Zürcher Unterländer auf diese Zeit zurück.
In der Rehaklinik Braunwald fand er einen Ort der Ruhe und der Kraft. Der Start war nicht leicht und er brauchte zuerst zwei Wochen, bis er überhaupt realisierte, wie schlecht es ihm ging und wie sehr er die Kontrolle über sein Leben verloren hatte. Mit dieser psychosozialen Erschöpfung, die fachliche Bezeichnung von Burnout, ist Hubert Waldkircher nicht alleine.
Mehr als ein Viertel der erwerbstätigen Schweizer Bevölkerung leidet unter Stress, fast 30 Prozent unter emotionaler Erschöpfung. Tendenz steigend.
Die Versicherungen PK Rück und Swica führen vergleichende Studien aus. Diese ergaben 2019 einen Anstieg der Zahl der Arbeitsausfälle von über 50 Prozent gegenüber 2012. Zwei von drei davon sind auf ein Burnout oder eine Depression zurückzuführen. Ein Grund dafür ist das zu späte Handeln der Betroffenen – häufig aufgrund bestehender Stigmata und Vorurteile in der Gesellschaft. Hubert Waldkircher ist froh, dass er sich davon nicht beeindrucken liess und sich Hilfe gesucht hat.
In Braunwald hat er sich auf unterschiedlichen Wegen sich selbst und damit seinen Problemen gestellt. In tiefen und intensiven Gesprächen lernte er, dass sein Selbstbild und bestehende Anspruchshaltungen an sich selbst aus seiner Kindheit stammten und ihn sein ganzes Leben prägten. Als es nicht mehr wunschgemäss lief, übermannten sie ihn. Neben den Gesprächen half ihm auch die personenbezogene Maltherapie. Sandrine Grossenbacher, Kunsttherapeutin bei ZURZACH Care in Braunwald, liest viel aus der Art und Weise heraus, wie Menschen malen:
«Wenn den Menschen ein Gedanke kommt, geschieht auch ein Bruch in der Gestaltung. Mit der Therapie helfe ich den Patientinnen und Patienten, im Hier und Jetzt zu bleiben.»
Für Hubert Waldkircher braucht das Überwindung. Doch im Verlauf des sechswöchigen Aufenthalts machte er grosse Fortschritte. Ein wichtiges Mittel, um abschalten und den Kopf befreien zu können, ist auch die Sport- und Bewegungstherapie.
Der gesamte Therapiemix hat Hubert Waldkircher gestärkt, doch der Prozess wird noch viel Zeit und Arbeit an ihm selbst in Anspruch nehmen. Für den 61-Jährigen ist es jedoch schön zu wissen, dass er einerseits die Kraft für diese Aufgabe in sich trägt und andererseits auf die Unterstützung seiner Familie und seines Arbeitgebers zählen darf.